Abmahnung und Urheberrecht –

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Das Ende des Copyrights – Für die eigene schöpferische Leistung gibt es keinen perfekten Schutz mehr. Ein Werk, egal ob Bild, Song oder Text, kann im Zeitalter seiner immensen Reproduzierbarkeit keine Singularität mehr beanspruchen. Eine auskömmliche Zivilisation für alle braucht Kopie, Nutzbarmachung, Weiterverwertung, Verbesserung des Originals.

Alles nur geklaut? Die Gothic-Band „Dark Sanctuary“ wirft dem Berliner Rapper Bushido vor, er habe sich für acht Stücke seines Albums „Von der Skyline zum Bordstein“ bei den Songs der Franzosen massiv bedient. Der Plagiatsstreit geht vor Gericht. Dort, und zwar vor dem Bundesgerichtshof, wurde am Donnerstag das Sampeln von Musikstücken erleichtert. Der Produzent und Komponist Moses Pelham durfte zwei Sekunden aus dem Stück „Metall auf Metall“ der Gruppe „Kraftwerk“ herausnehmen und weiterverarbeiten.

Ohne den Klau – höflicher: das Sampeln – von Soundschnipseln gäbe es heute kein Techno, kein Hip-Hop. Die Welt wäre erheblich ärmer ohne diese beiden Musikrichtungen. Was sie auch ohne Youtube wäre. Diese Video-Plattform ist nichts anderes als das Vervielfältigen, Verbreiten, Ausstellen, die öffentliche Wiedergabe und Bearbeitung fremder Anstrengung. Gröblich wurde das Urheberrecht in all seinen Punkten verletzt, zudem wurde das Copyright, die ökonomische Verwertung, übergangen. Schande, Buhrufe, Herr Richter, dürfen wir bitten?

Ein Werk, egal ob Bild, Song oder Text, kann im Zeitalter seiner immensen Reproduzierbarkeit keine Singularität mehr beanspruchen. Eine auskömmliche Zivilisation für alle braucht Kopie, Nutzbarmachung, Weiterverwertung, Verbesserung des Originals. Einzigartig ist damit nur noch Kreativität ohne Anspruch auf immerwährendes Copyright. Eine persönliche geistige Schöpfung kann nur sein, was kreativ genug ist. Dann findet sich ein Publikum für das Werk – und Kunden, die dafür bezahlen wollen. Die meisten Plagiatsprozesse kommen doch daher, dass einer aus fremdem Material etwas Besseres, kommerziell Erfolgreicheres gemacht hat. Dann, und nicht früher, beansprucht der eigentliche Urheber sein Recht.

Die kreativen Inhalte sind die produktiven Faktoren einer Kulturgesellschaft, sie sind die Motoren der Wissensgesellschaft. Hier muss angesetzt werden, hier muss mächtig investiert und ordentlich bezahlt werden. Sonst müssen die Kreativen in allen Bereichen das Hase-und-Igel-Spiel spielen, sprich ständig der Verwertung hinterherrennen, weil die Entlohnung für das geschaffene Produkt so jämmerlich gering war.

Weltweit wird viel Geld in Anwaltshonorare gesteckt, damit kleinste und feinste Fragen des Urheberrechts geklärt werden (siehe den „Zweisekünder“ bei „Kraftwerk“). Im Kern geht es dabei um die Interessen der Verwertungsindustrie und nicht um die Interessen der „Rohstofflieferanten“. Denen wird ja vorgegaukelt, es gebe den perfekten Schutz für die eigene schöpferische Leistung. Das ist eine Chimäre, spätestens seit der Digitalisierung von Bildern und Tönen sausen die Bits und Bytes schneller um den Globus, als Urheber und Verwerter den Kopf drehen können.

Sind die Kreativen die wehrlosen Opfer dieser Täter-Entwicklung? Nein, sie müssen sich auf ihre Kraft und ihr Vermögen besinnen und darauf konzentrieren. Sie müssen schneller, und sie müssen eben schöpferisch sein. Dann sind sie original (und hoffentlich auch originell). Es kann für sie allein um den ersten Platz in der Kette von Machen, Vervielfältigen, Verbreiten, Ausstellen. öffentlicher Wiedergabe und Bearbeitung gehen. Klauen können heute alle, was geklaut wird, deutlich weniger. Alle Kraft für den kreativen Akt! Der Rest ist „after work“, zu deutsch: die Afterkunst der anderen.

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 21.11.2008)

Ich denke dass sich hier noch einiges ändern wird.