Dem Betroffenen selber dürften die 5 Euro wenig bringen, da Strom und andere Preise die Geldbeutel leer machen und nur noch wenig zum Leben bleibt. Aber auch den Kleinverdienern die aufstocken müssen bleibt nur die Armut. Wo bleibt das Versprechen von Westerwelle? „Arbeit muss sich wieder lohnen“. Die Hatz4 Debatte herrscht auf allen Sendern und in allen Zeitungen. 5 Euro mehr und dafür so viel Wirbel. Die Neue Osnabrücker Zeitung schreibt: Ein Lohnabstand ist sozial gerecht. Nun steigen die Hartz-IV-Sätze nicht um 20 Euro, sondern nur um höchstens fünf Euro. Das ist eine bescheidene Summe für den Einzelnen, aber zugleich eine gewaltige für den hoch verschuldeten Staat angesichts von mehr als sechs Millionen Beziehern.
Wieder schallt der Regierung der Vorwurf sozialer Kälte entgegen. Doch es lohnt sich, genauer hinzusehen – gerade mit dem Blick derer, die nur wenig verdienen. Denn je höher die Regelsätze bei Hartz IV steigen, desto mehr wirken sie wie eine Art Mindestlohn. Und umso mehr sinken für Geringverdiener die Anreize weiter-zuarbeiten. Auch ein gewisser Lohnabstand ist sozial gerecht.
Generell aber verläuft die Diskussion um einige Euro mehr oder weniger bei der Grundsicherung zu einseitig, denn sie blendet den Kerngedanken von Hartz IV aus: Fördern und Fordern. Zu sehr konzentriert sich die Debatte auf die Höhe des Existenzminimums, aber zu wenig darauf, wie Langzeitarbeitslose wieder aus Hartz IV herauskommen und Chancen auf eine neue Beschäftigung bekommen. Denn nach wie vor gilt: Sozial ist, was Arbeit schafft. Wichtig ist zugleich, dass Kinder aus Hartz-IV-Familien von zusätzlichen Bildungs-leistungen profitieren. Diese Investition der Regierung ist begrüßenswert, weil sie sich langfristig auszahlt.
Dass die Regelsätze für Kinder bisher zu hoch eingestuft wurden, überrascht. Eine objektive, nachvollziehbare Berechnung steht aber noch aus.
Originaltext: Neue Osnabrücker Zeitung
In Bielefeld sieht man dies so: 20 Euro, 10 Euro und nun 5 Euro – die Antiklimax der medialen Spekulationen passte Opposition, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbänden gut ins Konzept. Sie haben ihr Urteil über die
geplanten Hartz-IV-Regelsätze schon gesprochen. Es fällt – wen wundert’s – vernichtend aus. Doch die reflexartige Kritik ist mehr als ein Ritual. Es geht um die Umdeutung des Karlsruher Urteils. Dabei hatten die Verfassungsrichter ja gerade nicht die Höhe der Regelsätze moniert, sondern ihr mehr oder weniger willkürliches, einst von Rot-Grün erdachtes Zustandekommen gerügt. Die Neuregelung müsste demnach nicht zuerst an der Höhe der Sätze gemessen werden, sondern eben an der Plausibilität des Verfahrens, das zu diesen Sätzen führt. Eine solche Diskussion kann derzeit aber noch gar nicht geführt werden. Vor allem aber eignet sie sich nicht für eine politische Kampagne – sie ist zu kompliziert. Eingängig ist die nackte Zahl, erst recht, wenn sie vermeintlich läppisch ausfällt. So heißt es statt »Fünf Euro mehr« fortan »Nur fünf Euro mehr«. Der abermalige Beleg sozialer Kälte einer Regierung, die Reiche schone, Lobbyisten bediene und die Ärmsten drangsaliere, scheint erbracht.
Doch so einfach ist die Sache nicht. Schließlich hat jede Festlegung der Regelsätze nicht nur die Leistungs-empfänger, sondern auch die Leistungserbringer zu berücksichtigen. Auch das ist notwendig, wenn der gesamtgesellschaftliche Frieden gewahrt bleiben soll. Zwar haben die Richter das Lohnabstandsgebot für nachrangig gegenüber einem
menschenwürdigen Existenzminimum erklärt – belanglos ist es deswegen aber keineswegs. Im Gegenteil: Es kommt sehr darauf an, dass diejenigen, die arbeiten gehen und trotzdem nur wenig mehr verdienen, als Hartz-IV-Empfänger vom Staat bekommen, nicht ins Grübeln geraten,ob sie am Ende die Dummen sind. »Arbeit muss sich lohnen« ist hier
mehr als ein Parteislogan. So muss es das erste Ziel aller Politik bleiben, Menschen in Beschäftigung zu bringen, um ihnen eine eigenverantwortliche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Dagegen ist selbst die komfortabelste Alimentierung immer nur die zweitbeste Lösung. »Fördern und Fordern« hatte Gerhard Schröder einst als die beiden Grundideen der Hartz-Reformen benannt. Fordernd wären die neuen Hartz-IV-Sätze in jedem Fall so, wie es auch die alten schon waren. Ein »schönes Leben ohne Anstrengung« verheißen sie nicht, und das ist richtig.
Eine andere Frage ist, ob mit der Neuregelung das Fördern verbessert wird. Das wäre notwendig, wenn mehr Hartz-IV-Empfängern als bisher wirklich geholfen werden soll. In diesem Sinne rückt das Bildungspaket für Kinder in den Blickpunkt. Gelingt es mit Hilfe millionenschwerer Sachleistungen, die Chancen der jungen Generation zu verbessern und so die Zahl der Sozialhilfekarrieren in zweiter und dritter Generation zu verringern, wäre das ein wirklicher Fortschritt. Originaltext: Westfalen-Blatt