Der Chef der Wirtschaftsweisen, Wolfgang Franz, hat in der Hartz-IV-Debatte Forderungen nach höheren Regelsätzen kritisiert und zugleich eine Arbeitspflicht für Hilfsempfänger gefordert. „Mit höheren Unterstützungszahlungen vermindern sich insbesondere für Geringqualifizierte mit Kindern die Anreize, sich auf dem ersten Arbeitsmarkt intensiv um einen Arbeitsplatz zu bemühen und gegebenenfalls auch weniger attraktive Jobs anzunehmen“, sagte Franz der „Leipziger Volkszeitung“ (Montag-Ausgabe). Auch eine Koppelung der Hartz-IV-Sätze an die Inflationsrate sei falsch. „Eine inflationsbedingte Erhöhung dieser Sozialleistungen muss über Steuern finanziert werden. Dann muss der Staat an anderer Stelle Ausgaben kürzen oder Steuern erhöhen.“
Der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim (ZEW) fordert statt einer Leistungserhöhung die Flexibilisierung der Hartz-IV-Sätze verbunden mit einer Arbeitspflicht. Wer nicht arbeiten will, müsste dann auch Hartz-IV-Kürzungen hinnehmen. „Jeder Hilfebedürftige kann den
ungekürzten Regelsatz bekommen, aber er muss dafür arbeiten. Vorzugsweise auf dem ersten Arbeitsmarkt oder falls dort nicht genügend Arbeitsplätze vorhanden sind, in einer Arbeitsgelegenheit bei einer kommunalen Einrichtung oder bei Wohlfahrtsverbänden“, so Franz. Arbeitswillige Hilfsempfänger sollten dann auch mehr als
bisher von ihrem Verdienst behalten dürfen. „Er stellt sich also besser als bisher.“ Andernfalls müsse der Regelsatz gekürzt werden, „so dass derjenige, der nicht arbeiten will, finanzielle Einbußen erleidet.“ Es gelte das Fördern und Fordern.
Franz rechnet mit einem ausreichenden Jobangebot für
Geringqualifizierte. „Es werden auch im Bereich geringqualifizierter
Arbeit sehr viel mehr Arbeitsplätze entstehen als viele Skeptiker
glauben. Früher wurden an der Tankstelle die Scheiben gewischt oder
es wurden morgens Brötchen ausgetragen“. Vereinzelt gebe es auch
hierzulande schon Schuhputzer oder wie in den USA Tütenpacker im
Supermarkt. „Wichtig ist: Jede ehrliche Arbeit verdient Respekt und
wenn das dort erzielte Einkommen nicht zum Lebensunterhalt reicht,
dann wird es mit Hilfe des Arbeitslosengelds II aufgestockt. Das ist
doch wesentlich besser als diese Betroffenen das harte Schicksal
einer Arbeitslosigkeit erleiden zu lassen.“
Reformbedarf sieht der Chef der Wirtschaftsweisen auch beim
Arbeitslosengeld I, die Bezugsdauer sollte künftig nach der
konjunkturellen Lage richten. Es sei richtig, darüber nachzudenken,
„die Bezugsdauer, aber nicht die Höhe, des Arbeitslosengelds I
konjunkturabhängig zu machen. Im Vergleich zu den jetzigen Regelungen
wird sie in einer Rezession verlängert, in einer zufriedenstellenden
Arbeitsmarktsituation gekürzt.“ Einem flächendeckenden Mindestlohn
erteilte Franz eine klare Absage. „Studien zeigen, dass Mindestlöhne
je nach ihrer Höhe Hunderttausende Arbeitsplätze vernichten und zwar
gerade im Bereich geringqualifizierter Arbeit, also bei den
Problemgruppen auf dem Arbeitsmarkt. Dann können wir die Bekämpfung
dieser Arbeitslosigkeit vergessen.“
Das von Sozialministerin von der Leyen geplante Gutschein-Modell
für Kinder von Hartz-IV-Beziehern sei dagegen richtig. Es gehe nicht
darum, betroffene Eltern unter den Generalverdacht zu stellen, ihren
Kindern Sozialleistungen zu verwehren, so Franz. „Jedoch besteht der
Vorteil einer Gutscheinlösung darin, dass die Förderung direkt den
Kindern zugute kommt und zwar denjenigen, die unserer Hilfe wirklich
bedürfen.“
Originaltext: Leipziger Volkszeitung